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gen, mein Freund. Ich will sie nicht, diese Macht. Sie ist zu
schwer für das, was man dafür bekommt. Ich würde sie ver-
schenken, gäbe es einen, der dumm genug wäre, sie zu neh-
men. Aber ich will Euch sagen, was ich wirklich will: Ich
will nachts ruhig schlafen. Ich will am Morgen aufwachen,
ohne Angst zu haben, daß die Welt rings um mich herum in
Flammen steht. Ich will, daß die Menschen, die mir ver-
trauen, den nächsten Tag noch erleben. Meine Grafschaft ist
nicht groß, Pater Tobias - aber es sind alles in allem doch
mehr als zweitausend Seelen, die mir unterstehen. Und ich
will nicht, daß sie verlorengehen - ganz gleich, ob an den
Teufel oder das Chaos.«
»Ihr wollt nur Ruhe und Ordnung, wie?« fragte Tobias mit
bitterer Stimme. »Deshalb habt Ihr mich gerufen.«
»Ich habe Euch nicht gerufen«, korrigierte ihn Theowulf.
»Und ginge es nach mir, würde ich jeden auspeitschen, der
das Wort Hexerei auch nur in den Mund nimmt. Aber Ihr
seid nun einmal hier. Die Dinge sind ins Rollen gekommen,
und ich muß sehen, daß ich das Beste daraus mache. In
gewissem Sinne habt Ihr recht: Ich will nichts als Ruhe und
Ordnung auf meinem Land. Und mir ist jedes Mittel recht,
sie zu erhalten.« Er zögerte einen Moment.
»Ich mache Euch einen Vorschlag, Tobias«, sagte er dann.
»Und bitte entscheidet nicht gleich darüber, sondern denkt
nach. Einen Tag, zwei - so lange Ihr braucht.«
»Und welchen?« fragte Tobias mißtrauisch.
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Sandini Sammlung
»Es war falsch von mir, Euch überreden zu wollen, Euer
Amt zu mißbrauchen«, sagte Theowulf. »Ich sehe das ein.
Aber Eure Reaktion beweist mir, daß ich mich nicht in Euch
getäuscht habe: Ihr seid genau der aufrechte Mann, für den
ich Euch gehalten habe. Aber glaubt mir, wenn ich sage, daß
das Volk ein Opfer verlangt. Deshalb denkt über Folgendes
nach: ich hatte den Prozeß gegen Katrin für den kommenden
Sonntag angesetzt, aber ich sehe ein, daß Ihr mehr Zeit
braucht. Ich gebe Euch noch eine Woche mehr. In dieser Zeit
gewähre ich Euch jede Hilfe, die ihr verlangt. Keine Frage
wird Euch unbeantwortet bleiben und keine Tür verschlos-
sen. Ihr habt also Zeit genug, Euch Eure eigene Meinung zu
bilden. Aber am Sonntag in acht Tagen werdet Ihr über die
Hexe zu Gericht sitzen. Und Ihr werdet sie schuldig sprechen
und zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilen, ganz
gleich, zu welchem Ergebnis Ihr wirklich gekommen seid.«
Er hob rasch die Hand, als Tobias ihn schon wieder unter-
brechen wollte, und fuhr mit leicht erhobener Stimme fort:
»Glaubt Ihr, daß sie eine Hexe ist, so ist es ohnehin Eure
Pflicht, sie zu verbrennen. Glaubt Ihr aber, daß sie unschul-
dig ist, so werden wir es so arrangieren, daß es nur so aus-
sieht, als würde sie verbrannt. Ich gebe Euch mein Wort,
daß ich dafür sorgen werde, daß sie in aller Heimlichkeit
fortgebracht wird. Wohin immer Ihr wollt - in die Freiheit
oder an einen Ort, an dem sie sich für Verkolts Tod zu ver-
antworten hat.«
Das war ein ungeheuerlicher Vorschlag. Und doch wider-
sprach Tobias nicht sofort. Theowulfs Plan hatte etwas
ungemein Verlockendes - und sei es nur der Umstand, sich
so aus der Verantwortung zu schleichen, die der Graf ihm
gegen seinen Willen aufgebürdet hatte.
Und Katrins Leben zu retten . . .
»Sagt jetzt nichts«, sagte Theowulf. »Denkt darüber nach,
ich bitte Euch. Ihr könnt mir Eure Entscheidung heute abend
mitteilen, wenn ich von der Jagd zurückkehre, oder morgen
früh. Ich weiß, was Ihr empfinden müßt, aber glaubt mir -
es lohnt sich, zumindest darüber nachzudenken.«
»Das werde ich tun«, versprach Tobias.
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Der Weg zurück zu Theowulfs Burg verlief sehr schweigsam,
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wofür Tobias im stillen dankbar war. Er wollte jetzt nicht
reden - weder mit dem Grafen noch mit sonst jemandem.
Im Grunde wollte er nicht einmal über Theowulfs Vorschlag
nachdenken. Was natürlich nicht möglich war, denn allein
der feste Vorsatz, an etwas ganz Bestimmtes nicht zu den-
ken, war der beste Weg, ganz bestimmt daran zu denken.
Und Tobias' Gedanken kreisten ununterbrochen um Theo-
wulfs Vorschlag.
So ungeheuerlich er war, enthielt er doch zugleich eine
teuflische Verlockung, die er bereits jetzt zu spüren begann.
Und die schlimmer werden würde, denn er ahnte, daß er sie
mit jedem Argument, das er dagegen fand, in Wahrheit nur
stärken würde.
Vielleicht hatte er den Kampf jetzt schon verloren.
Es wäre seine Pflicht gewesen, dieses Ansinnen sofort und
in aller Schärfe zurückzuweisen. Allein daß er das nicht
getan hatte, offenbarte schon seine Schwäche. Und daß
Theowulf darauf bestand, seine Antwort erst später zu
hören - nun, das war zweifellos wieder einer seiner kleinen
klugen Schachzüge.
Alles wäre so einfach, wäre es statt Katrin eine andere
Frau gewesen, über die er richten sollte. Gott, dachte er wie-
der, welche Prüfung hast du mir auferlegt, mich ausgerech-
net hierher zu schicken?
Als sie in die Burg zurückkehrten, bat er Theowulf, ihm
einen Raum zuzuweisen, in dem er ungestört beten konnte.
Daraufhin erhielt er eine kleine, kahle Kammer im oberen
Stockwerk des Wohnturmes, die kalt und düster war, denn
wie alle Räume verfügte auch sie nur über ein winziges Fen-
ster, durch das ein schmaler Lichtstreifen fiel. Aber die Kam-
mer bot genau das, was Tobias im Moment suchte: Stille und
Abgeschiedenheit. Sorgsam verschloß er die Tür hinter sich,
kniete sich neben dem Fenster auf den Boden und begann zu
beten.
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Eine Stunde lang, eine zweite und schließlich eine dritte,
bis das Licht zu verblassen begann und sein Rücken
schmerzte.
Und doch fühlte er nichts - nur kalte Leere.
Der Trost, den er stets im Gebet gefunden hatte, kam
nicht. Der schier unerschöpfliche Quell von Kraft und
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Stärke, der sein Glaube bisher für ihn gewesen war, war ver-
siegt.
Tränen füllten seine Augen, als er begriff, daß Gott ihn
nicht mehr hörte, und aus dem Schmerz in seiner Seele
wurde Entsetzen, als ihm klar wurde, warum: nicht, weil
er sich plötzlich von einem gütigen in einen grausamen
Herrn verwandelt hätte, sondern weil er, Tobias, nicht mehr
in der Lage war, ihn zu rufen. Es gelang ihm nicht mehr, [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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